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Übersetzt aus What Is Revolutionary Leadership? (Englisch), Spartacist (English edition) Nr. 68

Das folgende Dokument wurde von der VIII. Internationalen Konferenz der IKL angenommen.

Große Zeiten des Klassenkampfes schweißen die Arbeiterbewegung im gemeinsamen Kampf gegen die Kapitalistenklasse zusammen. Phasen der Reaktion haben den gegenteiligen Effekt und verschärfen die Spaltungen innerhalb der Arbeiterklasse entlang der Linien von Nationalität, Rasse, Geschlecht und Beruf. Diese Zyklen von Vereinigung und Spaltung spiegeln sich in den politisch fortgeschrittensten Teilen der Arbeiterbewegung wider, in den Parteien und Organisationen, die den Anspruch erheben, für die sozialistische Revolution zu kämpfen. In der langen Periode der postsowjetischen Reaktion ist die marxistische Linke immer mehr in kleinere und noch kleinere Gruppen zersplittert, die entlang dogmatischer und cliquistischer Positionen gespalten sind. Da so viele Gruppen die Rolle der revolutionären Führung beanspruchen, stellt sich die Frage: Was ist revolutionäre Führung? Angesichts der Verschärfung des Klassenkampfes in der sich wandelnden Weltlage ist eine korrekte Herangehensweise an diese Frage unerlässlich, um die Bilanz der Organisationen, die behaupten, für Revolution zu kämpfen, kritisch zu prüfen und die Grundlage für die Vereinigung der revolutionären Avantgarde auf internationaler Ebene zu schaffen.

Die Frage der revolutionären Führung wird fast immer zu kompliziert gemacht. Und in dieser grundlegenden Frage des Marxismus – wie in den meisten anderen – gibt es keine bessere Antwort als die einfache und klare Erklärung im Kommunistischen Manifest:

„Die Kommunisten unterscheiden sich von den übrigen proletarischen Parteien nur dadurch, dass sie einerseits in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerseits dadurch, dass sie in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertreten.

Die Kommunisten sind also praktisch der entschiedenste, immer weitertreibende Teil der Arbeiterparteien aller Länder; sie haben theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus.“

Die kommunistische Führung des Klassenkampfes muss auf einem wissenschaftlichen Verständnis der Klassenbeziehungen basieren, von der internationalen Gesamtsituation bis hin zu den konkreten Bedingungen in den einzelnen Betrieben. Sie definiert sich nicht durch die Reinheit des Herzens, durch abstrakte Lehren oder durch die Proklamation der Notwendigkeit der „Diktatur des Proletariats“, sondern durch die Fähigkeit, den Aktionsplan aufzuzeigen, der den objektiven Interessen der gesamten Arbeiterbewegung am besten entspricht. Es ist notwendig, sich vom Endziel leiten zu lassen: dem Sturz des Kapitalismus und der Errichtung einer internationalen sozialistischen Ordnung. Aber dieses Ziel wird nur in dem Maße erreicht, in dem man es in der lebendigen Realität einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Ortes verankert und die Haupthindernisse, die diesem Ziel im Wege stehen, nicht umgeht, sondern konfrontiert.

Ausgehend von diesem Verständnis ist der einzige Weg, den revolutionären Charakter einer Partei oder Gruppierung wirklich zu bewerten, ein Urteil darüber, ob sie im Laufe der Ereignisse für die Interessen der Bewegung als Ganzes kämpft oder ob diese zugunsten der Interessen anderer Klassenkräfte oder der engen Interessen isolierter Teile der Arbeiterbewegung geopfert werden. Bei jeder Drehung und Wendung des Klassenkampfes wird die Partei in ihrer Fähigkeit, die Arbeiterklasse zu führen, auf die Probe gestellt. In Die Lehren des Oktober (1924) beschreibt Trotzki die inneren Abläufe dieses Prozesses:

„Die revolutionäre Partei befindet sich unter dem Drucke fremder politischer Kräfte. In jeder Periode ihrer Entwicklung arbeitet sie neue Mittel heraus, um diesen Kräften widerstehen und sie abwehren zu können. Bei einer taktischen Schwenkung und den damit verbundenen inneren Umgruppierungen und Streitigkeiten wird die Widerstandskraft der Partei geschwächt. Hieraus erwächst die Möglichkeit dessen, dass die inneren Gruppierungen in der Partei, die aus der Notwendigkeit einer taktischen Schwenkung erwachsen sind, weit über ihre Ausgangspunkte hinauswachsen und für verschiedene Klassentendenzen als Stützpunkt dienen können. Einfacher gesagt: Eine Partei, die mit den historischen Aufgaben ihrer Klasse nicht Schritt hält, wird zu einem indirekten Werkzeug anderer Klassen oder läuft wenigstens Gefahr, es zu werden.“

Große Weltereignisse – wie Kriege, Revolutionen … oder eine Pandemie – verschärfen den Druck anderer Klassen auf die Avantgarde und lassen den wahren Charakter einer Partei im klarsten Licht hervortreten.

Krisenzeiten sind zwar der beste Test für eine revolutionäre Partei, aber das Ergebnis wird durch ihren Kurs in der vorangegangenen Periode vorbereitet. Revolutionäre Parteien entstehen nicht aus dem Nichts am Vorabend eines Krieges oder einer Revolution, sie werden in einem kontinuierlichen Prozess durch die Höhen und Tiefen des Klassenkampfes gestählt. Nur ein richtiges Vorgehen in Zeiten der Reaktion kann die Grundlage für den Erfolg bei Ausbrüchen revolutionärer Kämpfe schaffen.

Einfach gesagt, eine revolutionäre Partei ist eine Partei, die die Arbeiterklasse durch die Ereignisse führen kann, in einer Art und Weise, die ihre Emanzipation voranbringt. An diesem Maßstab müssen wir den Kurs der IKL und den jeder anderen Gruppierung oder Partei messen, die den Anspruch erhebt, revolutionäre Führung zu bieten.